Jerichow, Stiftskirche
Bauforschung am Westflügel der ehemaligen Stiftsklausur Jerichow
Der ehemalige Klausurbereich des einstigen Prämonstratenserstiftes entstand während und nach der Erbauung der romanischen Backsteinkirche. Die Kirche wie auch Klausur zählen in Nordeuropa zu den ältesten Backsteinbauten der Romanik. Der Baubeginn der Kirche darf wohl um die Mitte des 12. Jahrhunderts. liegen, wahrscheinlich um 1147, als die bereits angesiedelten Prämonstratenser vom Ortskern Jerichow in abseits liegendes sumpfiges Gebiet außerhalb des Ortes zogen. Die Stiftsklausur schließt mit dem Ostflügel südwärts an das südliche Querhaus an. Dieser Ostflügel ist in seinem Erscheinungsbild durch Umbauten aus den letzten 100 Jahren stark überformt worden. Die Stiftsklausur, besonders der Ost– und Südflügel, wurde in den 1980er Jahren von Reinhard Schmitt bauarchäologisch und bauhistorisch genauer untersucht.
Der Westflügel stößt mit seinem Verbindungsaufbau an die Südwand der Zweiturmfassade der Kirche. Sehr wahrscheinlich gab es im 12. und im 13. Jahrhundert eine schließende Verbindungswand zwischen Kreuzgang und Kirche.
Spätgotischer Giebelschmuck am Südgiebel wie auch Reste vom Maßwerk im Kreuzgang belegen größere Umbauarbeiten in der ausgehenden gotischen Zeit. Eine Inschrift “1504” auf dem Putzband an der Ostfassade zwischen Erd– und Obergeschoss könnte möglicherweise eine Fertigstellung der Umbauarbeiten des Westflügels angeben. Die wohl ältesten Wandbestandteile der Westflügelklausur befinden sich vorwiegend im Kreuzgangbereich, im gewölbten Kellerbereich sowie im Erdgeschoss. Zu den einzelnen Umbauarbeiten bietet eine Reihe an Archivalien unterschiedlich Auskunft. Nur für die eigentliche Stiftszeit gibt es keinerlei Unterlagen mehr.
Für die bauforscherische Befunderhebung ging es um die Gesamtheit der historischen Veränderungen am Gebäude. Besonders wesentlich sind die Fragestellung zur Entstehung der schwarzen Küche, zur ursprünglichen Raumdisposition im Erd– und Obergeschoss sowie die Verbindung zwischen Kreuzgang und Westflügelbau. Dabei spielten gerade auch die Niveauunterschiede vergangener Laufhorizonte eine Rolle und gaben Auskunft zu früheren Nutzungszeiten. Während der Untersuchungen konnten die romanische Epoche mit ihren Fensteröffnungen und zwei unterschiedliche Bauphasen für die späte gotische Zeit nachgewiesen werden. Weitere Veränderungen fanden im Barock sowie im 19. Jahrhundert statt.
Die traufständige Ostfassade des Westflügels der romanischen Stiftsklausur in Jerichow grenzt an das südliche Klausurgebäude und mit dem Verbindungsbau an die Südwand der Zweiturmfassade der romanischen Klosterkirche. Mehrere Bauepochen lassen sich daran ablesen, mit den bereits im 18. und 19. Jahrhundert erfolgten Anbauten und deren Abriss 1970. Das Erdgeschoss der Ostfassade erhielt seine bauliche Prägung durch den Wechsel von großen, segmentförmigen Fenstern mit Profilsteinen im Gewände und im Sturzbereich sowie segmentbogenförmigen mit einfachen Bindersteinen gemauerten Fensteröffnungen. Die Fensteröffnungen wurden nachträglich zugemauert und das Brüstungsfeld erhöht. Die ursprünglich insgesamt vier Fensteröffnungen sind im südlichen und nördlichen Bereich von kleineren Fensteröffnungen gerahmt. Im Innenraum (R.0.26) ist die nördliche, kleinere Fensteröffnung mit abgerundeten Steinen und Ziegelstempeln noch erhalten. Im südlichen Bereich ist im Innenraum (R.0.15) die Fensteröffnung ebenfalls mit abgerundeter Fensternischenkante ausgebildet.
Die älteste bauliche Struktur bildet das romanische, eingeschossige Gebäude, das sich im Erdgeschoss durch die gleich bleibende Stärke und die im Verband stehenden Umfassungsmauern im nördlichen, südlichen und westlichen Bereich auszeichnet sowie der nach der Erweiterung des Gebäudes um 1503 zur Innenwand umfunktionierten ursprünglich östlichen Außenwand. Diese ehemalige, romanische Außenwand stand bauzeitlich mit der südlichen Außenwand im Verband. Aus der romanischen Bauepoche lassen sich keine Hinweise für innere Raumstrukturen registrieren. Lediglich an den Umfassungswänden konnten Wandöffnungen erfasst werden.
Bei dem im 19. Jahrhundert als Gerichtssaal genutzten Raum (R.0.10) war die massive Ziegelwand teilweise noch mit Kalkschlämmen überzogen. In diesem Bereich konnte in einer Höhe von 45 cm ab dem heutigen Fußbodenniveau eine romanische Öffnung freigelegt werden. Eine weitere romanische Öffnung konnte im Raum R.0.05 freigelegt werden.
Die heutige Geschosshöhe steht nachweislich mit der spätgotischen Erweiterung des Baus von 1503 / 1504 im Zusammenhang. Die eichenen Deckenbalken mit dazwischen liegenden Lehmstakenfeldern konnten dendrochronologisch dem entsprechenden Fälldatum zugeordnet werden.
In dem südöstlichen unmittelbar vor dem Verbindungsbau gelegenen Raum ist die Fassung der Deckenfelder noch erhalten. Die schwarze Fassung der Deckenbalken ragt in die mit weißen Kalkschlämmen gefassten Lehmstakenfelder, die nochmals mit einem dünnen Begleitstrich abgesetzt wurden. Die Deckenfelder im westlichen Gebäudebereich können teilweise auch im 18. oder 19. Jahrhundert ausgetauscht worden sein.
Der Bau einer “Schwarzen Künche”, die zur Dezimierung der ehemaligen, romanischen Außenwand führte, läßt sich nicht eindeutig einer Bauphase zuordnen. Die einzelnen Bögen, beginnend auf Pfeilern, waren bauzeitlich mit Profilsteinen versehen, die vermutlich im 18. Jahrhundert zurückgeschlagen worden sind.