Lübeck, Kirche St. Jakobi
Vom Februar 2007 bis April 2008 wurde vom Deutschen Fachwerkzentrum Quedlinburg im Auftrag der Kirchengemeinde St. Jakobi untersucht. Die Bauforschung, die ebenfalls die Digitalisierung eines bereits bestehenden Handaufmaßes beinhaltete wurde von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gefördert.
Die Häuser Jacobikirchhof 1+2 weisen eine Baugeschichte von mehr als 800 Jahren auf. Die Gebäude dienten nach dem großen Umbau von 1602 unterschiedlichen Funktionen. Im westlichen Abschnitt, dem heutigen Jakobikirchhof Nr. 1, lag das Werkhaus – der Arbeitsort und die Wohnung des Organisten. Im angrenzenden, 1602 als Reihenhausanlage angelegten Renaissancebau mit den vier Eingängen, befand sich in dem heutigen Jakobikirchhof 2 die Jakobiknabenschule, die bis 1882 dort bestand. Der zweite Eingang der Häusergruppe diente als Wohnort für die Witwen der Kirchenbeamte und wurde nach einem längeren Leerstand der Schule zugeschlagen.
Im nächsten Bauabschnitt folgten das Prediger-Witwenhaus und schließlich die Predigerwohnung. In dem Werkhaus und der Amtswohnung lebte laut Schossregisterakte von 1701-1709 der Organist Peter Hase und 1727 Johann Hornburg Krahms. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts arbeitete und lebte dort Johann Joachim Diedrich Stiehl und schließlich Carl Philipp Emanuel Kemper. Nach Schröder befand sich im 19. Jahrhundert in dem westlichen mit dem Giebel zur Engelsgrube gelegenen Gebäude nicht nur die Organistenwohnung sondern im Erdgeschoss des barocken Anbaus, im Bereich der heutigen Bücherei, ein Spritzenhaus. Die Eingangstore öffneten sich zum “Kufberge”.
Im Laufe der Bauforschungsarbeiten konnten in beiden Gebäuden wertvolle Wandeinbauten und Malereien aus verschiedenen Jahrhunderten freigelegt werden. Im Haus Jakobikirchhof 2, das bis zum 19. Jahrhundert als Schulbau genutzt wurde, ist der Westgiebel aus dem 13. Jahrhundert mit vier gotischen Fensteröffnungen der mittelalterlichen Lateinschule am Koberg erhalten. Der Giebel besaß im Obergeschoß drei in gleichmäßigen Abständen zueinander angeordnete spitzbogige, nach Westen konisch zulaufende und sich öffnende Fenster. In einem der Fenster sind die Putzfassungen noch erhalten.
Weitere interessante Befunde bilden im Obergeschoss die eichernen Fachwerkinnenwände der Renaissance. Die Grundrissaufteilung zeigt, dass das Gebäude gemeinsam mit dem angrenzenden Haus Nr. 3 genutzt wurde. Zwei Türdurchgänge, getrennt durch eine Trennwand, führten zu den nördlich gelegenen großen Räumen zum Koberg. Die Deckenbalken und die mit hölzernen Bohlen geschlossenen Deckenfelder zeigen eine Ausmalung des 17. Jahrhunderts mit roten und weißen Blattranken auf ockergelbem Grund. Ein schwarzer Begleiter umzieht als imitierende Kassettenmalerei die Ranken. An den Wandflächen ließ sich sogar noch die bauzeitliche Fassung mit Diamantquadern von 1602 auffinden. Die beiden Räume trennt heute eine raumtrennende Bohlenwand aus dem 18. Jahrhundert, die nach Abnahme der jüngeren Wandbespannung, eine frühklassizistische imitierende Architekturgliederung, gemalte Kassettenfelder mit Marmorierung, zeigt. Oberhalb des Türfeldes gibt ein zur Seite gezogener Vorhang den Blick auf ein Kohlebecken mit Feuer frei.
In einem Raum zur Jakobikirche blieb ein Wandpaneel aus dem 17. Jahrhundert fast vollständig erhalten. Ein vergleichbares Paneel befindet sich im St. Annen Museum der Stadt Lübeck, hier noch mit Mauresken und stilisierten Blumenmotiven bemalt.
Weitere wertvolle Befunde traten auch in dem angrenzenden Nachbarhaus, der Wohnung des Organisten der St. Jakobigemeinde, zu Tage. Das Dachwerk des Hauses stammt aus dem Jahre 1361(d). Neben den aufgefundenen Fenster- und Türöffnungen aus dem 13. und 14. Jahrhundert konnte eine Kassettendecke mit gemaltem Laubstab und Ranken um 1500 und eine Stuckdecke von 1655 freigelegt werden. In einem jüngst als Schlafraum genutzten Raum zur Jakobikirche waren in den mittelalterlichen Umfassungswänden in die bauzeitgleichen Fenster und Türöffnungen kleine Nischen eingebaut, zwei mit gefastem Gewände, eines mit hölzernem Sturz. Die jüngere Ausmalung der Nische zeigt barocke gelbe Blattranken auf einem blauen Fond. Die Nischen wurden vermutlich im 16. Jahrhundert eingebaut.
Weiterhin konnte eine hervorragend erhaltene Ausmalung in den einzelnen Deckenfeldern eines Wohnraumes aufgefunden werden. Dargestellt sind unterschiedliche Szenen eines Liebespaares, in Begleitung eines kleinen Hundes. Das erste Deckenfeld zeigt eine musikalische Darbietung des Mannes mit Flöte, im zweiten Feld watet der Mann durch das Wasser zu einem Boot, indem eine Frau ihn bereits erwartet. Das dritte und vierte Feld stellt eine Bootsfahrt bei stürmischem Wellengang dar und schließlich den Spaziergang durch eine Landschaft. Die Kleidung des Paares entspricht der holländisch-flämischen Mode der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Der Mann trägt schulterlanges Haar, einem breitkrempigen Hut, Oberlippenbärtchen, einen engem Wams und eine knielange Hose. Die Frau mit Spitzenkrause und ausgestelltem Rock bekleidet.