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Stolberg, Schloss Stolberg

Das Schloss Stolberg, auf dem Berg zwischen dem “Ludetal” und dem “Kalten Tal” gelegen, diente seit dem 13. Jahrhundert bis 1945 das Schloss als Sitz des Grafengeschlechts von Stolberg bzw. der Fürsten zu Stolberg-Stolberg.

Das heutige Areal umfasst eine dreiflüglige Anlage mit dem Küchenflügel im Osten, dem so genannten Fürstenflügel im Süden und dem Torhaus im Westen. An den Torhausflügel schließt ein wirtschaftlich genutztes Gebäude an. Der Hof des Schlossareals wird im Norden von einem aus der Barockzeit stammenden Fachwerkbau, dem Windfang, abgeschlossen.

Die ältesten mittelalterlichen Gebäude lassen sich erst seit dem 15. Jahrhundert erfassen. Spätere Umbauten und eine Erweiterung der Schlossanlage erfolgten im 16. Jahrhundert im Stil der Renaissance. Von 1690 –1720 entstanden die repräsentativen Säle, wie der große Tafelsaal im Torhausflügel oder der große Empfangssaal im Fürstenflügel. Ab 1948 wurde das Schloss zum Erholungsheim der Lehrergewerkschaft umgebaut. Seit 1994 stand das Schloss leer und war somit dem Verfall preisgegeben. Das Schloss wurde 2002 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz übernommen, um es vor dem weiteren Verfall zu bewahren. Unmittelbar nach der Übernahme begannen die ersten Sicherungs- und Sanierungsarbeiten und die Bauforschung von Seiten des Deutschen Fachwerkzentrums Quedlinburgs gefördert von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt.

Nach bisherigem Kenntnisstand der Bauforschung wurden die spätmittelalterlichen Gebäudeteile im 16. Jahrhundert in die dreiflüglige Gesamtanlage des Renaissanceschlosses mit einbezogen. Die baulichen Befunde wie zugemauerte Tür- und Fensteröffnungen zeigen, dass das spätmittelalterliche Gebäude zweigeschossig war. Es erstreckte sich im Erdgeschoss vom Küchenflügel bis zum heutigen zentralen Treppenhaus im Fürstenflügel.

Laut archivalischen Quellen präsentierte sich der Bau mit zumindest einem Turm und einem im Inventar von 1499 erwähnten Erker am “Neuen Haus” zur Stadt. Die großen Fensteröffnungen besaßen kleinteilige, in Blei gesetzte Scheiben und verschließbare Riegelläden. Die Außenmauern waren jedoch keineswegs farblos gestaltet. Im Jahre 1500 zur Ankunft der Braut Bothos wurde die Außenfassade zunächst mit Leimwasser grundiert und anschließend mit brauner, schwarzer, gelber und grauer Farbe gestrichen.

Die baulichen Befunde für das 15. Jahrhundert

Das südöstliche Rondell wurde zeitgleich mit dem angrenzenden südlichen Bau errichtet. Die ein Meter starken Außenmauern sind im Verband aufgemauert. Oberhalb des auf Fels gegründeten Verlieses, das bereits 1521 in den Renteirechnungen des Schlosses erwähnt wird, befindet sich der Gefechtsraum. Die sechs Nischenöffnungen in dem kreisförmigen Raum wurden als Schießscharten genutzt. Die einzelnen Nischen sind mit einem Gewölbe aus Schieferplatten in Gipsmörtel überspannt. Die eigentliche Öffnung ist mit einem eichenen Holzbrett, vermutlich zum Anlehnen der Gewehrbüchsen abgeschlossen. Die eichenen Holzbretter konnten auf das Jahr 1455(d) datiert werden. Die Prellhölzer waren bauzeitlich in die Nischen eingelassen worden. Inwieweit sich dieses Baudatum auf den gesamten südlichen Keller bezieht, muss derzeit noch offen bleiben. Eine Abschlusswand des mittelalterlichen Baus konnte in der Lage bisher nicht exakt ermittelt werden. Das Baudatum 1455 steht mit einem Regierungswechsel in Zusammenhang. Am 15. März 1455 übernahm Heinrich “der Ältere” die Regierung von seinem Vater Botho II.

Der Fürstenflügel

Im Zuge der Sanierungsarbeiten konnte im Rahmen der Bauforschung vom Fachwerkzentrum im Südflügel, bzw. Fürstenflügel weitere Raumstrukturen freigelegt werden, die bereits vor dem Umbau der Renaissance um 1540 bestanden.

Der südöstlich an die Kapelle angrenzende Raum besaß im Mittelalter zwischen Erd- und Obergeschoss eine Balkendecke. Ein Konsolstein der Balkendecke war, in gleicher Höhe mit dem Konsolstein im Flur, in dem in der Barockzeit ausgeführten Kaminschacht erhalten geblieben. Das Tonnengewölbe aus Schiefer- und Bruchsteinen mit Kalkmörtel wurde nachträglich mittels einer Bretterschalung eingezogen.

Im Wesentlichen wurde die Raumaufteilung des Erdgeschosses auch im Obergeschoss fortgeführt. Im Bereich des heutigen fürstlichen Schlafzimmers befand sich ebenfalls ein langrechteckiger schmaler Raum. Den Deckenabschluss des Raumes bildete ein steil verlaufendes Kreuzgratgewölbe, dessen Gewölbezwickel an der östlichen und westlichen Wand noch erhalten sind. Der Raum wurde im Mittelalter von einer großen Fensteröffnung in der südlichen Außenwand belichtet. Erst durch Umbauten in der Barockzeit wurde ein Teil des Fensters abgerissen bzw. zugesetzt.

Der Bodenbelag bestand aus einem Gipsestrich mit Ziegelsteinen und Schieferplatten, die in den Randbereichen deutlich abgetreten sind. Im südlichen Bereich des Raumes wurde zeitgleich mit Bau des Gewölbes ein Schornsteinschacht aufgemauert, der im Erdgeschoss im östlichen Fensternischengewände fortgeführt wird. Ebenfalls in der Renaissance wurde der langrechteckige Raum mit einer Trennwand, in Höhe der im Erdgeschoss verlaufenden Mittellängswand unterteilt.

Die baulichen Veränderungen bedingte offensichtlich ein Nutzungswechsel, der in Zusammenhang mit einer Feuerstätte stand. In einem Inventar des 17. Jahrhunderts wird ein Langer Gang erwähnt, “in welchem man zu benannter Hofkapelle” gelangte. Der Gang war laut Inventar gepflastert, die Deckenbalken mit einem Kalkputz versehen. Am Ende des Ganges waren einige Räume gewölbt, eine Türöffnung führte zur Kirche, eine weitere Öffnung zu einem Laboratorium, auch Brenngewölbe genannt. Die Nutzung des Raumes als Laboratorium im Erdgeschoss wird auch durch den Fund von Glasscherben zwischen dem Gewölbeschutt bekräftigt.

Der Umbau zum Renaissanceschloss im 16. Jahrhundert

Die wesentlichen Umbauten zum Renaissanceschloss wurden von dem aus Komotau in Böhmen stammenden Baumeister Andreas Günther durchgeführt. Im Erdgeschoss des Küchenbaus wurden weit gespannte Kreuzgratgewölbe auf freistehenden Pfeilern eingezogen. Die Kapelle erhielt ein in der Formensprache eher spätgotisches Netzrippen- und Sternrippengewölbe. Ebenso wurden der Küchenbau, der Fürstenflügel und der westliche Flügel mit einem weiteren Geschoss in Fachwerkbauweise aufgestockt und mit Zwerchhäusern geschmückt. Nach dem Renaissanceumbau unter den vier Söhnen Bothos III. von 1538–1547 war das Schloss in drei Wohntrakte aufgeteilt.

Die Dachkonstruktion über dem Küchenflügel, auf 1540(d) datiert, wurde als Sparrendach mit zwei Kehlbalkenlagen ausgebildet. Die in Höhe der Traufe in Deckenbalken einbindenden Sparren lassen im Wechsel zu den Sparren, die in die Deckenbalkenlage des ersten Obergeschosses eingezapft sind, die Anzahl der in dem Baukontrakt und dem Inventar von 1684 bereits erwähnten Zwerchhäuser erkennen. Zum Kalten Tal befanden sich drei Zwerchhäuser, zum Innenhof war lediglich ein Zwerchhaus mittig angelegt worden.

Bereits im 17. Jahrhundert begannen Umbauarbeiten am Küchenflügel, die Zwerchhäuser wurden zurückgebaut und eine bis zur Dachkonstruktion ragende Fachwerkwand errichtet.66 Auch der südöstlichen Bereich des Fürstenflügels, der über alle Dachgeschosse emporragt, ist der Dachgeschossebene der Renaissance zuzuweisen. Laut dem Inventar von 1684 war das Dach mit zehn Zwerchhäusern und insgesamt 58 Gespärren ausgestattet. Ein Fragment dieser Zwerchhausaufbauten befindet sich noch in Höhe des südöstlichen Turmrondells. Die Dachkonstruktion, eine liegende Stuhlkonstruktion mit einem Hängewerk im achten Gespärre, ist noch in neun mit Abbundzeichen versehenen Gespärren erhalten.

Im Innern wurde in der Renaissance wurde in der Kapelle, das Netzrippengewölbe im großen Raum und das Sterngewölbe im Turmrondell eingezogen Die heutige Ausstattung, den steinernen Altar und den Aufsatz mit zwei Säulen mit Kapitellen und seitlichem Schleierwerk aus Alabaster stiftete laut Inschrift Graf Johann Martin im Jahre 1667. Die weitere Ausstattung der Schlosskapelle: die Orgel, die zweigeschossige Empore und die Fürstenloge folgte um 1700. Der Altaraufsatz erhielt 1708 zwei Skulpturen, Johannes und Moses, als Symbole für das Alte und das Neue Testament. Zur selben Zeit vervollständigte eine Engelsfigur das protestantische Programm des Altares. Ebenfalls zu sehen ist eine hebräische Inschrift “Jahwe”, mit Wolken und Strahlenkranz umgeben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde eine Kanzel an der Ostwand eingebaut und gleichzeitig Änderungen an der Oberfläche der Ausstattung vorgenommen.

Das 18. Jahrhundert

Im 18.Jahrhundert wurde dem Schloss ein auf einem massiven Untergeschoss aus Bruchstein errichtetes Torhaus vorgelagert. Das dreiflüglige Hauptschloss wurde im Norden durch einen mit dem Westflügel in Verbindung stehenden Laubengang und dem Windfang abgeschlossen. Das hofseitige Portal des Fürstenflügels ergänzte man im Verlauf der Umbaumaßnahmen mit dem Stolberg-Hessischen Allianzwappen und zwei vergoldeten Löwen als Wappenhalter. Betritt der Besucher heute das Schloss durch das Hauptportal im Fürstenflügel, so gelangt er in das Vestibül, um anschließend über eine große zweiläufige Treppe in das erste Obergeschoss empor zu schreiten. Die Haupttreppe in der Mitte des Fürstenflügels wurde vornehmlich in den Jahren 1708/09 erbaut. Ein nahezu wörtlich umgesetzter, in 12 Punkten gegliederter Kontrakt zwischen dem regierenden Grafen Christoph Friedrich und dem Baumeister Buchau (auch Büchau) legte die Ausführung der Treppe und die Ausstattung mit Skulpturen genau fest. Die Postamente und die Baluster sollten aus einem roten Stein, alle weiteren architektonischen Glieder in einem schwarzen Stein, einem Anhydrit, gefertigt werden.

Auf den Postamenten waren Pallas Athene, Herkules sowie kindliche Skulpturen gewünscht. In der gegenüberliegenden Fensterfassade in einer Nischenarchitektur sollten zwei überlebensgroße Statuen Juno mit ihrem Pfau und Jupiter, ihr Gemahl mit seinem Adler, aufgestellt werden. Die Steigung und das Schrittmaß der Treppe wurden im Kontrakt mit 13 Stufen zu den beiden Podesten festgelegt. Historische Aufnahmen von 1917 zeigen Athene mit Speer und Eule auf dem untersten Podest stehend. Herkules mitLöwenfell auf dem oberen Podest ist von zwei an den Treppenhauswänden stehenden kindlichen Skulpturen umgeben. Die Skulpturen wurden 1950 zerstört. Nur noch Reste der Skulpturen, wie der Torso von Pallas Athene oder ein Teil des Beines von Jupiter konnten bei Aufräumarbeiten geborgen werden.

Ein weiterer Kontrakt zwischen dem Grafen und einem Maler umfasste einen Umfang von 70 Gemälden in Freskotechnik. Der Künstler mit seinem Handlanger und Kalksetzer ritzten die Malerei zunächst in den nassen Putz ein, um sie anschließend farbig zu fassen. Der unterzeichnende Künstler, Francisco Aprill, übernahm bereits die Ausmalung des Großen Tafelsaals nach dem Tod von Samuel Blättner. So wurden die Plafonds an der Decke und auch die Wände, so im Saal, in den Vorgemächern, dem gräflichen Kabinett sowie im Treppenhaus und dem angrenzenden Großen Gang ausgemalt. Die Skulpturen der römischen Götter standen inmitten eines gemalten Pavillons, dessen drei Pilaster mit Kapitellen auf jeder Wandseite mit großen steinernen Arkadenbögen überspannt werden.

Der Blick des Betrachters wird aus dem Pavillon heraus in eine weite Landschaft mit Bäumen, Blumen und einem kleinen Flusslauf geführt. Im Bildvordergrund liegt eine junge schwangere und schlafende Frau auf einem Felsplateau in Höhe des Brüstungsgeländers. Auf der gegenüberliegenden Seite inmitten von einer Palme, einer Zeder, drei Zypressen und einem Lorbeerbaum ein in die Nacht davonfliegender Engel mit Flügeln zu sehen. Der abgewandte Engel mit dem nach oben gerutschten Gewand hält in jeder Hand eine brennende Fackel. In dem unteren Bereich der westlichen Wandhälfte wird die Malerei. Ein im römischen Gewand und roter Tunika gekleideter Feldherr schreitet auf Höhe des Treppengeländers in eine weitergeführtfelsige, grottenähnliche Landschaft nach unten, scheinbar um die Besucher des Schlosses zu empfangen. Erscheint die Malerei mit der schlafenden Frau als eine Allegorie des Lebens, ist der in die Dunkelheit auf eine Baumgruppe zufliegende Engel als Gegenüberstellung des Lebens zu sehen. Der Putto bringt das Licht in die Dunkelheit und verweist wegweisend auf die sechs immergrünen Gewächse als Symbole des ewigen Lebens oder des himmlischen Paradieses.


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