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Halberstadt, Hühnerbrücke 4

Das älteste erhaltene Schulgebäude in Halberstadt, das “Johanneum” an der Hühnerbrücke gelegen, wurde als Lehrstätte für Latein, Hebräisch und Griechisch errichtet. Laut Inschrift auf dem Sturzriegel der rundbogigen Eingangstür am Nordgiebel wurde die Schule am 22. November 1697 fertiggestellt. 1698 wurde sie durch Kauf bzw. Neu- und Umbau mehrerer Häuser erweitert. Der Fachwerkbau, heute Hühnerbrücke 4, erstreckt sich mit der östlichen Gebäudelangseite am Grudenberg und rahmt mit der nördlichen Giebelseite die Platzsituation an der Hühnerbrücke gemeinsam mit dem großen und stattlichen Fachwerkbau mit Freitreppe, Grudenberg 10. Die unteren Gefachfelder besitzen in beiden Geschossen Fußstreben und kurze Stiele in der Art der Thüringer Leiter. Die Stockschwelle ist mit einer Schiffskehle, ein typisches Schmuckelement der Renaissance, verziert und die Füllhölzer und Deckenbalken zeigen eine durchlaufende Profilierung mit einem Rundstab. Den Eingangsbereich betonte einst ein hölzernes gerahmtes Wappenrelief: Auf diesem ist auf der linken Seite ein Kopf inmitten von Akanthusranken und Rosen dargestellt, auf der rechten Seite ein Bischof mit Inschrift “Voigtey”, dem Verwaltungsbezirk des Stadtteils. Entsprechend der Namensgebung der Schule “das Johanneum” ist hier vermutlich Johannes der Täufer dargestellt, die ihn umgebenden Rosen verweisen auf das von ihm erlittene Martyrium.

Eine energieeffiziente, Ressourcen schonende, ökologische Sanierung bei größtmöglicher Erhaltung der historischen Substanz und Einhaltung der denkmalpflegerischen Belange soll an dem Modellprojekt Hühnerbrücke 4 in Halberstadt umgesetzt werden.

Die besondere Herausforderung des Modellprojektes besteht darin, die erhaltene historische Substanz zu bewahren, zu ertüchtigen, Methoden einer energetischen Sanierung zu definieren, die sowohl in der Gesamtbilanz effizient sind und gleichzeitig den denkmalpflegerischen Anforderungen entsprechen.

Planung im Bestand

Die Hühnerbrücke 4 verfügt auf zwei Etagen über eine Raumstruktur, die sich für eine Wohn- bzw. Büronutzung anbietet. Die Aufteilung der Räumlichkeiten erfolgte unter Berücksichtigung des Bestandes. Die ursprünglichen Erschließungswege vom Erdgeschoss in das 1. Obergeschoss über eine viertelgewendelte Treppe des 19. Jahrhunderts und vom 1. Obergeschoss zum Dachgeschoss über eine Spindeltreppe des 17. Jahrhunderts wurden beibehalten. Erneute Eingriffe in die Substanz durch weitere Öffnungen in den Deckenfeldern konnten dadurch vermieden werden.

Verursacht durch jahrelangen Leerstand wurden an allen drei Gebäudeteilen massive konstruktive und feuchtebedingte Schäden verzeichnet.

Die zukünftige Nutzung des Erd- und 1. Obergeschosses

Der bauzeitliche Grundriss im Erdgeschoss ist anhand der bauzeitlichen Mittellängswand und der mittig im 6. Gebinde von Ost nach West spannenden Querwand, in zwei große Raumeinheiten zum Innenhof und zwei kleineren Raumeinheiten zur Straßenfassade mit davor liegendem Treppenhaus zu rekonstruieren. Die bauzeitlichen Wände umfassen im nördlichen Bereich mit je sechs Gebinden einen annähernd quadratischen Raum, der im 19. Jahrhundert noch als Klassenraum diente (siehe Plan von 1863). Alle nachträglichen Wandeinbauten in diesem Raum erfolgten im Zuge der Umnutzung zu Wohnzwecken. Der Eingang zum Klassenraum befand sich mittig. Der südlich angrenzende Raum, heute in drei Raumeinheiten unterteilt besaß bauzeitlich vier Fensterachsen. Auch dieser Raum war vermutlich ein Klassenzimmer, in dem Latein und Griechisch rezitiert wurde. In dem kleineren Raum zur Straßenfassade konnten an der südlichen Giebelwand noch die bauzeitlichen Gefache, Stakenhölzer mit Strohlehmputz und einem dünnen Kalkputz freigelegt werden. Auf dem Gefachputz ist die bauzeitliche Fassung noch sichtbar: entlang der dunkel gefassten Hölzer umzieht ein dunkelgrauer Begleiter das Gefach. Diese bauzeitliche Raumfassung ist auch an den Deckenbalken und Deckenfeldern des Raumes ablesbar.

Der bauzeitliche Grundriss lässt sich ebenso im Obergeschoss gut ablesen. Im südwestlichen Bereich lag ein großer Raum, die bauzeitliche Giebelwand, die östliche Mittellängswand und die Hofwand, noch mit einem Gebinde erhalten, umfassend. Der Eingang des Raumes besitzt noch Reste der bauzeitlichen Türzarge mit verkröpftem barockem Profil.

Laut dem Plan von 1863 befand sich in diesem Raum eine weitere Schulklasse mit angrenzenden Kammern. Der straßenseitig gelegene Raum am Südgiebel, im 19. Jahrhundert ebenfalls als Kammer genutzt, zeigt entlang der Deckenbalken verlaufende Begleiter, vergleichbar der bauzeitlichen Fassung im Erdgeschoss.

Die Hühnerbrücke 4 verfügt auf zwei Etagen über eine Raumstruktur, die sich für eine Wohn- bzw. Büronutzung anbietet. Die Aufteilung der Räumlichkeiten erfolgt vorzugsweise innerhalb des Bestandes, sodass nur minimal in die bestehende Substanz eingegriffen werden muss.

Die Schwammsanierung

2010 wurde ein Holzschutzgutachten erstellt. Am Nordgiebel konnte Echter Hausschwamm nachgewiesen werden, im Erdgeschoss waren Säulenköpfe, Rähm, Füllhölzer, Stichbalken, Schwelle und Ständerfüße des 1. Obergeschosses befallen. Der Hausbockbefall zeigte sich an den Ständern im Eingangsbereich und Riegel im EG.

Auf der Grudenbergseite konnte im nördlichen Bereich ein weiterer Schwammherd festgestellt werden, der sich ab der 2. Riegellage im Erdgeschoss bis zum Traufbereich, 2-3 Gebinde umfassend, erstreckte. Die klassische Sanierung hätte 1 m Rückschnitt vom letzten sichtbaren Befall bedeutet.

Bei der Untersuchung der mit Echten Hausschwamm befallenen Hölzer stellte der Sachverständige fest, dass der Schwamm überwiegend an der Oberfläche gewachsen war. In vielen Fällen war eine durchgehende Zerstörung nicht vorhanden. Laut DIN 68 800 Teil 4 ist als Sonderverfahren die Hausschwammsanierung und die Abtötung des Gewöhnlichen und Gescheckten Nagekäfers mit Heißluft seit 2012 zugelassen. In der DIN werden verschiedene Temperaturen zur Abtötung angegeben. So wird z. B. bei einer Temperatur von 50°C ein Zeitintervall von 16 Stunden angegeben, die im Kern des Holzes vorliegen muss. Bei 55°C sind es 8 Stunden und bei 60°C sind es 2 Stunden. Mit der Hitzebehandlung wird bei dem Hausschwamm das Geflecht zerstört, das Holz getrocknet und somit dem Hausschwamm die Lebensgrundlagen – Wasser, Wärme, Holz – genommen.

Wichtig ist während der gesamten Umsetzung der thermischen Behandlung eine langsame kontrollierte Erhöhung der Temperatur. Von der umsetzenden Firma wurde eine Mehrstufenbrennertechnik, die eine langsame und kontrollierte Erwärmung des zu behandelnden Objektes vornahm, angewandt. Für die notwendige Abtötung aller Schadinsekten ist es erforderlich, auch die Außenbereiche zu behandeln. Zu diesem Zweck wurde das Fachwerkhaus vollständig eingehaust. Die gesamte Einhausung erfolgt mittels Spezialfolien, (Mehrschichtfolien), aus Polyamiden, Polyethylen und Aluminium, die einen hohen Isolierwert haben.

Daher wurden Hausbocklarven als weitere Prüfinstanz in speziell gefertigten Holzröhren eingesetzt. Die Larven wurden in speziellen Vorrichtungen in das zu beheizende Holz eingebracht.

Die Versuche zeigten, dass eine Abtötung und Verfärbung der Larven eintritt, wenn über 55°C für 3-4 Stunden erreicht wurden. Für die Bekämpfung des Befalls durch den Gewöhnlichen und den Gescheckten Nagekäfer wird laut DIN für die Bekämpfung mit der Heißluft eine Temperatur von 55°C, die 1 Stunde im Kern des Holzes gehalten werden muss, empfohlen. Das Absterben der Hausbocklarven bei Temperaturen um 55°C, bestätigt ebenso die Abtötung der Nagekäferlarven. Für die Temperaturmessung werden Thermoelemente verwendet. Die erreichte Temperatur im Gebäude liegt zwischen 90° und 100°C.

Nordgiebel

Der integrative Planungsprozess beinhaltet die gemeinsame Abstimmung mit dem Holzschutzgutachter, Statiker, Architekten, Zimmermann und der Bauforschung bezüglich des Austausches oder der Ertüchtigung verschiedener Bauteile. Der Rückschnitt bezieht sich nicht auf die durch Echten Hausschwamm und Anobienbefall geschädigte Holzsubstanz, sondern lediglich auf nicht mehr tragfähige Holzbauteile. Dadurch kann der Verlust der historischen Bauteile minimiert werden.

Geringe Aussetzungen erfolgten am Ständer im Bereich des Gefügeknotens zwischen Ständer, Riegel und Schwell. Anschließend wurden kleinere Risse mit Tierhaaren, Öl und Lehm geschlossen.

Ostfassade

Lediglich stark gestörte Hölzer mussten ausgetauscht werden, wenn der nicht geschädigte Restquerschnitt des Holzes zu gering war. Im nördlichen Bereich der Ostfassade erfolgte im Erdgeschoss die Ertüchtigung eines Ständerkopfs, Teilstücke des Rähms sowie die Anblattung des Deckenbalkens. Im weiteren Verlauf zum Obergeschoss wurden Schwelle, Ständerfüße, die beidseitig angrenzenden Brüstungsriegel und die unterhalb angeordneten kleinen Stiele ertüchtigt.

Die nachträgliche Innendämmung der Außenwände

Nach dem Heißluftverfahren war die Auswahl der Dämmung mit folgenden Kriterien behaftet: Die Dämmung musste kapillar aktiv sein, keine erhöhte Durchfeuchtung der Wand beim Einbringen verursachen. Zudem sollte die Dämmung hohlraumfrei zur Außenwand erfolgen und geringe Austrocknungszeiten aufweisen.

Die Auswahl fiel auf die Dämmung mit Wärmedämmlehmplatten bestehend aus Lehm, Kork, Kieselgur Infusorienerde und Holzspänen.

Die Bildungsarbeit in der Hühnerbrücke 4

Die Hühnerbrücke 4 ist das älteste erhaltene Schulgebäude in Halberstadt, das “Johanneum” wurde 1697 als Lehrstätte für Latein, Hebräisch und Griechisch errichtet.

Eine energieeffiziente, Ressourcen schonende, ökologische Sanierung bei größtmöglichem Erhalt der historischen Substanz und Einhaltung der denkmalpflegerischen Belange wurde, auf Kenntnisse des ökologischen Pilotprojektes “Lange Gasse 7, Quedlinburg” zurückgreifend, an dem Modellprojekt in Halberstadt von 2013 bis 2015 umgesetzt. Im Sanierungsprozess führten wir den ursprünglichen Nutzungszweck des Gebäudes – Ausbildung und Bildung junger Menschen fort. An diesem Modellprojekt arbeiteten in den verschiedenen Projektfeldern der Sanierung und Restaurierung der historischen Gebäudesubstanz, wie z.B. die Restaurierung der historischen Fenster, Türen und Treppen, das Ausmauern und Verputzen der Gefache und das Herstellen von Lehmwickeln zur Schließung der Deckenfelder, sechs Tischlerlehrlinge des Deutschen Fachwerkzentrums Quedlinburg e.V., Teilnehmer der Jugendbauhütte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unter der Leitung der internationalen Jugendgemeinschaftsdienste und Praktikanten unter Anleitung der Fachkräfte. Eine Mischung aus theoretischen Kenntnissen über die Baugeschichte des Hauses bis hin zu bauphysikalischen Prozessen und den handwerklichen Fertigkeiten waren Schwerpunkt der Bildungsarbeit. Des Weiteren führte das Fachwerkzentrum international besetzte Praxisseminare durch, beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Hochschule Anhalt – mit internationalen Studenten des World Heritage Studiengangs oder mit der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt in Halberstadt – mit Geflüchteten aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Den jungen Menschen bieten die praktischen Erfahrungen in dem historischen Fachwerkbau eine neue Plattform ihres weiteren Werdegangs.


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